Kerzen im Nebel - Das Universum im Lyman-Alpha-Licht

Simulation einer Scheibengalaxie - Draufsicht. Von links nach rechts ist die Verteilung der Sterne, des Gases und der schweren Elemente in der Galaxie dargestellt. Rechnungen von H. Braun und C. Behrens, Institut für Astrophysik, Universität Göttingen
Simulation einer Scheibengalaxie - Draufsicht. Von links nach rechts ist die Verteilung der Sterne, des Gases und der schweren Elemente in der Galaxie dargestellt. Rechnungen von H. Braun und C. Behrens, Institut für Astrophysik, Universität Göttingen

von Dr. Christoph Behrens


Je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist, desto schwieriger ist sie typischerweise zu beobachten - aus diesem Grund verwenden Astronomen immer ausgefeiltere Instrumente, um auch sehr leuchtschwache Objekte beobachten zu können.


Eine Technik, die sich dabei als sehr erfolgreich erwiesen hat, ist die Beobachtung von Licht einer bestimmten Wellenlänge - der Lyman-Alpha-Linie. Der Grund hierfür ist, dass aktiv sternbildende und weit entfernte Galaxien relativ stark in dieser 'Farbe' leuchten, weil das Licht vorrangig von jungen, schweren Sternen produziert wird, die bald nach ihrer Entstehung wieder vergehen. Sucht man nur nach diesem Licht am Himmel, so eliminiert man damit sehr viele andere Quellen, die Licht aussenden, und übrig bleiben (fast) nur die weit entfernten Galaxien, die man gesucht hat. Doch diese sehr effektive Methode hat einen Nachteil, der in der Natur der Lyman-Alpha-Linie liegt: Selbst kleine Mengen von Wasserstoff in diesen Galaxien und ihrer Umgebung führen dazu, dass dieses Licht Millionen Male gestreut wird, bevor es uns erreicht. Ähnlich wie bei einer Kerze, die von Nebel umhüllt ist, sehen wir deshalb nicht deshalb nicht direkt das Licht von der Quelle, sondern von der Umgebung gestreutes und teils diffuses Licht. Das macht die Interpretation dieser Beobachtungen sehr schwierig.

Simulation der selben Scheibengalaxie - Seitenansicht. Gut zu erkennen ist die Scheibenstruktur und die Anwesenheit von starken galaktischen Winden, die - von Supernovae-Explosionen getrieben - Material aus der Galaxie schleuern.
Simulation der selben Scheibengalaxie - Seitenansicht. Gut zu erkennen ist die Scheibenstruktur und die Anwesenheit von starken galaktischen Winden, die - von Supernovae-Explosionen getrieben - Material aus der Galaxie schleuern.

Helfen können hier Computersimulationen, die den Transport des Lyman-Alpha-Lichts im Computer modellieren. Im Laufe der letzten drei Jahre wurden am Institut für Astrophysik in Göttingen viele solcher Simulationen von Christoph Behrens durchgeführt. Daraus entstanden sind bislang drei Publikationen in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics, die ganz unterschiedliche Aspekte dieses Problems beleuchten. 

Ein Rätsel, das Astrophysiker umtreibt, ist etwa die große Helligkeit, mit der manche Galaxien nur im Lyman-Alpha-Licht leuchten - manche Galaxien leuchten im Lyman-Alpha-Licht 600 mal heller als in anderen Wellenlängen. Das ist verwunderlich, denn das widerspricht unserem Verständnis von Sternentstehung: Eigentlich sollte aktive Sternentstehung nicht nur Lyman-Alpha-Licht, sondern auch große Mengen an anderer Strahlung freisetzen. In einer Veröffentlichung aus diesem Jahr konnten Christoph Behrens, Jens Niemeyer (beide Universität Göttingen) und Mark Dijkstra (Universität Oslo) zeigen, dass eine mögliche Erklärung dafür in der Existenz von Löchern oder Tunneln in der Gasverteilung in und um Galaxien besteht. Ihr Ursprung können gewaltige Supernova-Explosionen sein, die die Umgebung aufheizen und ausdünnen. Diese Löcher können zu effektiven "Fluchtwegen" für Lyman-Alpha-Licht werden. Schaut man direkt auf eines dieser Löcher, so beobachtet deutlich mehr Lyman-Alpha-Licht als erwartet - aus einer anderen Richtung betrachtet dagegen ist der Anteil der Lyman-Alpha-Strahlung geringer.

 

Während diese Arbeit mit Hilfe von sehr einfachen Modellen von Galaxien durchgeführt wurden, konnten Christoph Behrens und Harald Braun (Universität Göttingen) in einer neuen Veröffentlichung zeigen, dass auch in sehr realitätsnahen Simulationen einer einzelnen Galaxie, deren Grundlage eine sehr detailierte Modellierung von Sternentstehung und Turbulenz ist, Löcher in der Gasverteilung bestimmen, wieviel Lyman-Alpha-Licht ein Beobachter sieht. Der Ursprung dieser Löcher besteht auch hier in Supernova-Explosionen, deren Druckwelle sich ausdehnende, fast leere Blasen produzieren. Erreichen diese Blasen den Rand der Scheibe, so entstehen die schon erwähnten 'Fluchtwege'. Dies führt dazu, dass die simulierte Galaxie eine ausgeprägte Richtungsabhängigkeit der Strahlung aufweist, insbesondere entweichen nennenswerte Mengen an Lyman-Alpha-Licht nur senkrecht zur Scheibe - schauen wir 'von der Seite' auf die Galaxie, so sehen wir gar kein Lyman-Alpha-Licht.

 

Diese und andere Erkenntnisse werden helfen, Beobachtungen des Lyman-Alpha-Lichts besser zu verstehen. Von besonderer Bedeutung ist dies vor allem angesichts der Tatsache, dass in den nächsten Jahren neue, bessere Instrumente detailreichere Beobachtungen ermöglichen und die Anzahl der bekannten Lyman-Alpha-Emitter verhundertfachen werden. An zwei dieser Beobachtungsprogramme ist auch das Institut für Astrophysik in Göttingen beteiligt: MUSE (Multi-Unit Spectroscopic Explorer) und HETDEX (Hobby-Eberly Dark Energy Experiment).